Statistik und Projektmanagement?
Der Prozess „Quantitative Risikoanalyse“ (S.336 PmBok Guide 5th) umfasst einige Werkzeuge und Methoden im Kontext der Statistik*. Für den „normalen“ Projektleiter, der seine Projekte eher auf Basis von Bauchgefühl und Intuition überwacht und steuert, eine echte Herausforderung – für den Statistiker einer Versicherung dagegen Routine. Aber nicht nur für Versicherungen sind Wahrscheinlichkeiten eines Eintritts einer Zufallsvariable signifikant, auch ein Projektleiter sollte mit bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeiten hantieren können.
Wenn Ihnen bspw. 20 Mitarbeiter einen Aufwand für einen ihnen zugeordnetes Arbeitspaket nennen, dann ist es Praxis, dass jeder Mitarbeiter implizite Puffer mit einrechnet, die aber wiederum von den meisten Mitarbeitern nicht benötigt werden. Kein Mitarbeiter kommt gerne in Verzug auf Basis der eigenen Schätzungen. Ihr Projekt wird also bezogen auf Time&Budget, a priori künstlich aufgeblasen1. Wenn die Mitarbeiter die nicht verbrauchten Puffer an den Projektleiter zurück reichen würden, wäre das Ganze erträglich. Aber das ist eben nicht der Fall!
*Verlinkungen auf die PMIstandards+ sind nur erreichbar bei Anmeldung auf der PMI Website.
Die Bereichsschätzung oder Dreipunktschätzung
Im PmBok Guide 5th finden Sie die “Dreipunktschätzung“ in den Abschnitten 6.5 (Time), 7.2 (Cost) und 11.4.2.1 (Risk).
Führung durch Statistik?
Ein wichtiges, nicht statistisches Ziel, ist eher aus Sicht von Führungsprinzipien erklärbar. Die „Dreipunktschätzung“ (optimistisch, am wahrscheinlichsten, pessimistisch) erwartet von der schätzenden Ressource eine Range, in der ein bestimmter Wert im Rahmen der Ausführung zu Stande kommt. Sie suggerieren Ihrem einzelnen Mitarbeiter quasi, „Sie müssen nicht jeden Tag Höchstleitung erbringen“. Er sollte stringent arbeiten, sich aber nicht krumm machen. Er muss also keine eigenen impliziten Puffer einbauen, um sicher zu gehen, den Liefergegenstand des Arbeitspakets pünktlich abzugeben. Warum? Nun, die anderen 19 Mitarbeiter nehmen auch eine Bereichsschätzung vor. Jeder der 20 Mitarbeiter landet auf der Scala „optimistisch – pessimistisch“ entweder weiter vorn, hinten oder zentral. Und da „Projektmanagement“ ein kollaborativer Ansatz ist, zählt das Gesamtergebnis und nicht ob eine Einzelner in Verzug gerät. Niemand muss eine Punktlandung vollbringen!
Um diese Prinzipien zu vermitteln, bedarf auch eine Ressource einer Grundausbildung im Projektmanagement. Es geht darum, jahrelang verinnerlichtes Verhalten zu ändern. Was nutzt die „Dreipunktschätzung“, wenn der Mitarbeiter alle drei Werte nach oben korrigiert, um seine impliziten Puffer trotzdem zu integrieren. Die Mitarbeiter in einem Projekt benötigen zumindest einen rudimentären Zugang zu den Methoden des Projektmanagements.
Der Aspekt der Führung spielt in jedem Projekt eine herausragende Rolle, was in vielen Projekten verkannt wird.
Statistik als Termin- und Kostenfokussierung
Nicht jedermann ist geläufig, wie man mit Formparametern in der Statistik arbeitet. Der bekannteste Formparameter ist wohl die „Glockenkurve“, also die Normalverteilung. Sehr viele Kriterien, die uns Menschen betreffen, sind „normal verteilt“. Wenn Sie bspw. 100 Menschen durch ein Fußgängertor laufen (joggen) lassen, die Fußsohlen vorher mit Farbe bestreichen, ergibt sich als Abdruck eine „Glockenkurve“. Jeder Mensch versucht intuitiv sehr „mittig“ durch das Tor zu laufen. Es kommt allerdings zu Schwankungen, zu dem ein oder anderen Ausreißer, nach links oder rechts. Man könnte diesen Formparameter überall auf der Welt als Prognosewerkzeug auf Chinesen, Türken oder Amerikaner anwenden und prognostizieren, dass etwa 50 Menschen genau in der Mitte durch ein Tor laufen.
Solche empirischen Daten, also Daten, die auf Erfahrungen basieren, kann man statistisch verwerten. Das funktioniert nicht nur bezogen auf menschliche Verhaltensweisen, das funktioniert auch anhand von Projekten. Projekte sind sozio-ökonomische Systeme, in denen es zu Wiederholungen bestimmter Mechanismen kommt. Wenn Sie immer ähnliche Projekte durchführen, kommt es auch immer zu ähnlichen Verläufen, was nicht ausschließt, dass ein Risikoeintritt ein Projekt anders verlaufen lässt, als normal.
Grundsätzlich gilt es aber, dass man über eine größere Anzahl von Projekten ermittelt, um welche Art „Verteilung“ (Formparameter) es sich in den eigenen Projekten handelt. Die „Dreipunktschätzung“ bspw. ergibt eine Dreiecksverteilung. Sie finden auf S. 340 PmBok Guide 5th die Dreiecksverteilung. Das Dreieck wird grafisch nicht sichtbar, die Schenkel des Dreiecks müssen eigenständig eingezeichnet werden. Die dazu gehörige „Dreipunktschätzung“ (auch als Finanzmodell bezeichnet) finden Sie auf Seite 336. Aus den drei Werten (Intervallschätzungen) der Gesamtkosten errechnet sich ein Erwartungswert (EW) von USD 46,67 Mio. In der folgenden Darstellung sehen Sie eine Interpretation der Grafik auf Seite 336 des PmBok Guides 5th.
Bevor es jetzt zu einem „Gesamtkosten- oder Gesamtterminmodell (Risikoaggregation) “ kommt, müssen die jeweiligen Schätzwerte (Kosten-, Dauer- oder Aufwandschätzungen) in einer Projektsimulation verarbeitet werden. Dazu schlägt PMI die Monte Carlo Analyse vor (S.340 „Modellierung und Simulation“). Die Monte Carlo Analyse ist eine computergestützte Methode, über Simulation wahrscheinliche Ergebnisse zu berechnen. Dies können 100erte bis 1000ende Berechnungsiterationen sein.
Die Monte Carlo Analyse kann dazu unterschiedlichste Wahrscheinlichkeitsverteilungen anwenden. Welche Wahrscheinlichkeitsverteilung genutzt werden sollte, hängt von dem Anwendungsbereich ab, der Hintergrund des Szenarios sein soll. „Lognormal Verteilungen“ werden bspw. bei Aktienpreisen oder Immobilienwerten verwendet. „Uniform Verteilungen“ nutzt man dagegen für Umsatzerlöse oder Herstellungskosten.
Denken Sie an das Beispiel mit den 100 Menschen, die durch ein Fußgängertor laufen. Verändern sich die Umgebungsbedingungen, dann verändern sich die Formparameter.
Bezogen auf Projekte, nennt das PMI auf Seite 337 PmBok Guide 5th die Betaverteilung und die Dreiecksverteilung. Aber auch die Normalverteilung wird in Projekten verwendet und kann in der PMP Prüfung eine Rolle spielen.
Das auf Basis der Monte Carlo Analyse errechnete Modell (Bild 2) der Schätzdaten (Bild 1) von Seite 336 PmBok Guide 5th, finden Sie auf Seite 340 PmBok Guide 5th.
Die einzelnen Dollar Werte ergeben hier die Zufallsvariablen. Aufgrund der Wahrscheinlichkeitsverteilung basierend auf einer Dreiecksverteilung, lassen sich jetzt Wahrscheinlichkeiten prognostizieren. Auf Seite 341 PmBok Guide 5th finden Sie unter 11.4.3.1 einen Bezug auf die Grafik 11.17. :
„Die Kosten von 41 Millionen USD erreicht eine Wahrscheinlichkeit von 12%“.
Grafisch ist dies in Bild 2 als rosa schraffierter Bereich dargestellt. De Erwartungswert (EW) der in der Tabelle Bild 1 errechnet wurde, erreicht die Wahrscheinlichkeit von 50%. Rechts und links des Erwartungswerts ergeben sich jeweils 50% der Fläche.
Bezogen auf das Beispiel mit den Arbeitspaketen, würden die Erwartungswerte einer Dreiecksverteilung in den meisten Fällen ausreichen. Über 100 Arbeitspakete müsste es am Ende auf den erwartungswert hinauslaufen. Elihua Goldratt praktiziert im Rahmen seiner „Theorie of Constraints“ dieses Schätzverfahren.
Die Monte Carlo Analyse bewertet aber auch die wichtigsten Einflussfaktoren, die maßgeblich zu den Bewertungen des Projektmodells führten. Diese Einflussfaktoren werden in Form eines „Tornadodiagramms“ vertikal dargestellt und bilden bspw. Bedrohungen links vom „Null Wert“ und Chancen rechts davon ab (S. 338 PmBok Guide 5th). Man spricht in dem Fall von einer Sensitivitätsanalyse.
3PERT Formel = Beta Verteilung
Nicht in allen Projekten passt die Dreiecksverteilung. So schlägt PMI in Abschnitt 6.5 (Dauern) und 7.2 (Kosten) des Pmbok Guides 5th die PERT Formel vor:
cE = (cO + 4cM + cP) / 3 (hier Kosten)
Dabei handelt es sich auch um eine Dreipunktschätzung oder Bereichsschätzung, allerdings wird der „most likely“ , der „wahrscheinlichste Wert“ 4 mal gewichtet. Damit kommt es zu einer Beta Verteilung (S.337 PmBok Guide 5th). Der Erwartungswert cE beträgt jetzt keine 50% Wahrscheinlichkeit wie bei einer Dreiecksverteilung, er beträgt etwa 80% Wahrscheinlichkeit. In vielen Projekten dürften die Ziele bei diesem Schätzverfahren unterhalb der Termin- und Kostenvorgaben erreicht werden.
Fortsetzung folgt