Kurz vor der Rente werde ich zum Frauenversteher… …..sagte ein Manager Anfang 50. Diese Aussage tätigte er in dem Bewusstsein der Problematik, aus seiner männlichen Perspektive, die weibliche Perspektive ausreichend emphatisch wahrzunehmen.
Allerdings war die Situation eine ganz andere. Er hatte das Problem, einzelnen Teammitgliedern, männlichen wie weiblichen, ein vernünftiges Maß an Empathie entgegen zu bringen. Der in der Überschrift geflügelte Satz zeigte den Grad seiner Resignation auf, seinen Mitarbeitern humorvoll zu suggerieren, ihre Signale abseits der verbalen, semantischen Inhalte zu verstehen. Die Semantik bezieht sich auf die Bedeutung eines Bildes oder eines Satzes. Die Bedeutung eines Stoppschilds im Straßenverkehr, sollte jeder Führerscheinbesitzer interpretieren können. Die Bedeutung der Aussage eines Politikers bspw., kann sich erheblich schwieriger gestalten.
Empathie als universelles Kriterium
Empathie gilt in allen Managementbereichen als „must have“. In SCRUM wird bspw. von einem neuen Mindset gesprochen, dass insbesondere den Softskill Bereich abdecken soll. Ob in SRUM, PMI oder GPM Umgebungen, ich bin mir sicher, dass dieses Mindset in allen Managementumgebungen relevant ist, nicht nur in SCRUM.
Fehlende Empathie, als Facette eines komplexen Softkill Mindsets, ist eine sehr häufige Lücke im Führungsportfolio von Führungskräften, ohne behaupten zu wollen, die Führungsebenen in deutschen Unternehmen bestehen ausschließlich aus Vulgärpsychologen.
Woher kommt Empathie? Wie kann man Empathie entwickeln? Nun, Empathie ausschließlich in Seminaren zu erlernen, halte ich für unmöglich. Sicherlich bilden bestimmte Handlungsanweisungen eine Grundlage, Empathie zu entwickeln. Letztendlich geht es dabei aber um eine extrem bedeutsame Einstellungs- und Verhaltensänderung. Verhaltensänderung, lässt sich nur bedingt trainieren oder auch nur bedingt konditionieren. Damit Verhalten aber als authentisch wahrgenommen wird, gilt es, eben auch die Einstellung zu ändern. Unsere Einstellungen – man kann synonym auch von Werten sprechen – sitzen aber tief in unserem Unterbewusstsein.
Grundsätzlich kann aber dem Leser an dieser Stelle gesagt werden: Wenn Sie die Pubertät hinter sich gelassen haben und nichts empfinden, wenn Sie sehen, wie Tiere gequält werden oder Menschen Leid erfahren, bedarf es einem extrem einschneidenden persönlichen Erlebnis, dass diese Art der Gefühlsregung, sich bei Ihnen doch noch einstellen kann. Seminare helfen da ganz bestimmt nicht! Wobei niemand, der sich hier angesprochen fühlt, von mir kritisiert wird. Es existieren genügend Menschen – und die werden immer mehr – die in ihrer Kindheit Traumata erlebt haben, die ihnen auch das letzte Quäntchen Empathie zunichte gemacht haben.
Grundsätzlich kann man aber unterstellen, dass so ziemlich alle Menschen ein „Empathie-Gen“ mit der Geburt implementiert bekommen haben, ähnlich dem mathematischen Verständnis, das jeder Mensch auf dieser Erde mehr oder weniger anwenden kann. Nicht umsonst rief Albert Einstein aus: „Gott ist Mathematiker“!
Die Frage ist nur, inwieweit dieses „Empathie-Gen“, während der Sozialisation supported worden ist?
Eine Kernfrage, die man sich selbst stellen kann, ist die, ob man im Elternhaus primär rational soziale Problem- und Fragestellungen angegangen ist oder ob auch emotionale Beurteilungen mit einbezogen worden sind.
Unterstützende Fertigkeiten, die Empathie günstig beeinflussen.
Den Sprechenden kontinuierlich anzusehen, um seine nonverbalen Signale wahrzunehmen und gut zuzuhören, um auch die Parasprache des Senders zu interpretieren, gehören zu den absoluten Basics einer wirksamen Empathie. Allein den Blickkontakt zu vernachlässigen, würde dem Sender einer Nachricht schon eindeutig suggerieren, kein Interesse am Gesagten des Sprechenden zu bekunden. Darüber hinaus, entfallen bei fehlendem Blickkontakt viele Informationsinhalte, die nonverbal gesendet werden. Und gerade in diesem Kontext ist es für Menschenführer wichtig, die Authentizität der Aussage vor dem Hintergrund der nonverbalen sowie parasprachlichen Signale zu beurteilen.
Gutes Zuhören bedeutet „aktiv zuzuhören“. Aktives Zuhören, verstehen viele Menschen falsch: Sie warten aktiv darauf, eine Sprechpause des Senders zu nutzen, selbst zum Sender zu werden. Schließlich sind die eigenen Geschichten und Probleme genauso wichtig, wenn nicht wichtiger, als die Problemchen des Gegenübers.
Dieses Verhalten hat nichts mit aktivem Zuhören zu tun. Ein aktiver Zuhörer quittiert die Nachrichten des Senders durch nonverbale Signale und durch paraphrasieren.
Erzählt Ihnen bspw. eine Arbeitskollegin vom Alkoholproblem Ihres Ehemanns, wäre ein ständiges Lächeln oder Grinsen unpassend. Nonverbal sollte hier ein dem Thema angepasster Gesichtsausdruck gewählt werden. Sollte es der Fall sein, dass Sie ein Mensch sind, der immer lächelt, machen Sie sich keinen Kopf, Ihre Kollegin wird das dann schon richtig einstufen.
Paraphrasieren dagegen kann man nicht nonverbal. Von Zeit zu Zeit sollten Sie die Botschaften Ihres Gesprächspartners in eigenen Worten wiederholen, insbesondere, wenn Sie nicht sicher sind, etwas richtig verstanden zu haben. Paraphrasieren gilt als sehr starkes Werkzeug, Empathie zu zeigen.
Eine indirekte Art des Paraphrasierens kann das Notieren von Botschaften des Gegenübers darstellen. Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Ein Autobesitzer kommt voller Frust in Ihr Geschäft gestürmt, weil er mit der von Ihnen durchgeführten Inspektion überhaupt nicht zufrieden ist. Er baut sich vor Ihnen auf und lässt jetzt richtig Dampf ab. Ist der oben erwähnte ständige Blickkontakt jetzt förderlich? Glauben Sie, der Kunde beruhigt sich, wenn Sie ihn mit einem gesunden Selbstbewusstsein tief in die Augen blicken? Da fällt mir nur ein: „Ey, was guckst Du?“
Besser wäre, indirekt zu paraphrasieren. Nehmen Sie einen kleinen Block zur Hand und notieren Sie stichpunktartig die Beschwerden Ihres Kunden. Dabei schauen Sie nur hin wieder kurz auf und signalisieren Konzentration und Interesse. Dem Kunden wird irgendwann die Luft ausgehen. Jetzt sind Sie dran. Mit einem ernsthaften Gesichtsausdruck und demütiger Intonation reagieren Sie: „Ja, Herr Müller, das tut mir jetzt sehr leid, dass da etwas schief gelaufen ist. Ich wiederhole noch mal die Punkte, die ich mir notiert habe…. Lassen Sie doch Ihren Wagen gleich hier, Sie erhalten bis morgen einen Leihwagen von uns und wir werden bis dahin die Punkte zu Ihrer Zufriedenheit lösen.“
So erhält man sich die Kundenbindung, auch wenn mal was schief läuft.
Empathie als Werkzeug zur Mitarbeiterbeurteilung
Es geht nicht nur darum, durch Empathie die Gefühle des Mitarbeiters zu bedienen. Natürlich sollte der Chef eine Aussage auf der Beziehungsebne nicht auf der Sachebene beantworten. Natürlich sollte er ein Gefühl der Trauer, ein Gefühl der Freude oder Enttäuschung des Mitarbeiters spiegeln können. Das ist die primäre Funktion der Empathie.
Aber Empathie kann auch in Form von Kuppeleffekten Ergebnisse erzeugen, die dem Vorgesetzten helfen, den Mitarbeiter besser zu beurteilen. Ein Gefühl der Enttäuschung könnte bspw. ausschließlich semantisch interpretiert werden. Dann wird es häufig vorkommen, dass die eigentliche Intention eines Senders, falsch interpretiert wird.
Folgende Situation: Ein Kollege macht Ihnen gegenüber die Aussage „Ich bin jetzt aber sehr enttäuscht, dass wir da unterschiedlicher Meinung sind“.
Die Fähigkeit, die eigene Aussage parasprachlich emotional zu bewerten, obliegt den meisten Menschen intuitiv. Die Fähigkeit dagegen, die eigene Aussage parasprachlich, emotional manipulierend zu bewerten, obliegt eher wenigen Menschen.
In dem gerade demonstrierten Beispiel, wurden die nonverbalen Signale über die Mimik relativ erfolgreich unterstürzt – was Sie mir jetzt mal unbesehen glauben müssen. Die Parasprache aber, suggerierte eher Dominanzverhalten und Druckerzeugung – was Sie nur in der Podcast Version wahrnehmen können. Eine echte Enttäuschung auf der Gefühlsebene des Senders, fand nicht statt. Genau genommen handelte es sich bei dieser Aussage um destruktive Rhetorik: Enttäuschung, wird als Mittel zur Zielerreichung, nur vorgetäuscht.
Ähnlich wie im Projektmanagement von einem magischen Dreieck (Terminziele, Kostenziele, Sachziele) gesprochen wird, kann man eine gesendete Botschaft ebenfalls auf Basis dieser „Dreiecksmagie“ interpretieren: Stimmt ein Parameter der drei Parameter – 1. Zeichen, Bild oder Satz, 2. nonverbale Signale (Gestik, Mimik etc.) und 3. Parasprache (Intonation, Pausen, Lautstärke, Nachdruck) – nicht mit den anderen beiden Parametern überein, darf die gesendete Information nicht als authentisch wahrgenommen werden und ergibt semantisch beurteilt, eine inkonsistente Aussage. Solche Inkonsistenzen bemerkt nicht jeder Zuhörer. Nicht umsonst haben so viele Bauernfänger Erfolg, Menschen zu manipulieren.
Es ist übrigens auch als trainierter Kommunikator gar nicht so einfach, einem trainierten Manipulator auf die Schliche zu kommen, also die Inkonsistenz dieser drei Dimensionen zu bemerken. Ich komme im Schlussteil dieses Artikels darauf zurück.
Bezogen auf das obige Beispiel, kann man eigentlich aus Sicht des Empfängers gar nicht von einer Information sprechen. Eine Information ist erst dann eine Information, wenn sie über den Sachverhalt objektiv informiert. Man würde im Nachgang, falls der manipulative Charakter der Nachricht auffliegt, wohl kaum konstatieren „ach war das aber informativ“. Nein, durch manipulative Nachrichten eines Senders, würde man sich nicht gut informiert fühlen.
Anders sieht es aus der Perspektive des Senders aus. Ihm geht es darum, den Gegenüber zu manipulieren. Die Bedeutung seiner Nachricht, beinhaltet eine quasi „manipulierende Informationen“. Aber auch der Manipulator würde in einem inneren Dialog jetzt nicht konstatieren, „den habe ich jetzt aber gut informiert“.
(Das grundlegende Kommunikationsmodell finden Sie im PmBok Guide 5th Seite 294. Das Kommunikationsmodell ist Teil der PMP Prüfung)
Solange es nicht zu einer Information kommt, handelt es sich um nur um Daten. Wenn Sie bspw. den Begriff „Super“ gesendet bekommen, sagt Ihnen das erst mal gar nichts. Kennen Sie den Kontext, bspw. geht es um die Bewertung eines Weins, ist die Bewertung „Super“ quasi nicht mehr steigerungsfähig, falls nonverbale Signale und Parasprache dies begeistert unterstreichen. Sitzt mein Trinkpartner mir dagegen mit hängenden Schultern und versteinerten Gesicht gegenüber und säuselt mir ein vollkommen nicht moduliertes „Super“ zu, werde ich wohl in den Keller gehen und einen anderen Wein holen – falls ich über ein wenig Empathie verfüge und ich den Anspruch hege, ein guter Gastgeber zu sein.
Das Thema „Daten – Informationen – Berichte“, ist Teil der Prüfung zur PMP Zertifizierung und wird im PmBok Guide 5th auf den Seiten 59 und 467 abgehandelt.
Wie gehe ich weiter vor?
Es dürfte also deutlich
geworden sein, dass nur alle drei Dimensionen eines Senders, eine ganzheitliche
Interpretation der Nachricht des Senders ermöglichen. Um Inkonsistenzen dieser drei Dimensionen zu bemerken, müssen Sie als Gesprächsteilnehmer nicht nur auf der Beziehungs- oder Sachebene agieren, nein, Sie müssen zusätzlich die Metaebene beherrschen.
Die Metaebene schwebt quasi über dem laufenden Gespräch und analysiert das eigene Gesprächsverhalten und das des Gegenübers. Auf der Metaebene achten Sie bewusst auf die nonverbalen sowie parasprachlichen Signale vor dem Hintergrund der Nachricht des Senders. Es sei bemerkt, dass es für aktive Zuhörer leichter ist, die Metaebene zu beherrschen als für Zuhörer, die nur auf eine Gesprächspause des Senders warten, um einen eigenen Kriegsschauplatz aufmachen zu können.
Grundsätzlich aber ist es schwierig, als Gesprächsteilnehmer, die Metaebene zu beherrschen. Von daher gilt es, dies zu trainieren. Das geht am besten, wenn Sie erst einmal eine Weile Gespräche Dritter beobachten und ganz bewusst deren nonverbale und parasprachliche Signale beobachten. Sie sind also nicht in das Gespräch involviert, Sie können sich voll und ganz auf die Metaebene konzentrieren. Schreiben Sie Ihre Beobachtungen auf und denken darüber nach. Mit der Zeit fallen Ihnen typische nonverbale oder parasprachliche Signale auf, die immer wieder von Menschen (eines Kulturkreises) verwendet werden. In der Türkei bspw. existieren nonverbale Signale, die für uns Deutsche oder Österreicher fremd sind.
Hier schreibt: Renee Ossowski, PMP