MS Project für.....Kolumne polarisiert? Kritische Kette versus Kritischer Pfad
Die Kritische Kette wird im PmBk Guide 6th leider gar nicht mehr, oder nur peripher erwähnt. Man findet sie nur noch implizit erwähnt, mit dem Begriff „Theory of Constraints„, (Autor: Eliyaho Goldratt). Das Thema ist hoch aktuell und sollte eigentlich prägnanter im PmBok Guide in Erscheinung treten.
Die Engpasstheorie ist nicht nur im klassischen PM wichtig, sie ist auch Trigger des agilen PM. Aber… die MS Project für….Kolumne bringt das Thema wieder in den Fokus!
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Kritische Kette, nicht „Kritischer Pfad“.
Dargestellt mit MS-Project (Theorie of Constraints nach Goldratt)
- Critical Chain Project Management (CCPM)
Verwechseln Sie nicht die Kritische Kette mit dem Kritischen Pfad! Der Kritische Pfad ist i.d.R. bekannt, die Kritische Kette nicht.
Bei „Kritische Kette“ und „Kritischer Pfad“ scheiden die Geister.
Wo liegen die Vor und Nachteile? Kann man die „Kritische Kette“ auch an Hand von MS-Project anwenden? Kann man Puffer stehlen? Warum ist das Fokussieren auf „Engpässe“ auf dem Kritischen Weg (Kette) so wichtig?
Im Normalfall sollten Puffer (Sicherheiten in Form von Budget, Dauer oder Aufwand) wie im folgenden Bild 1 in MS-Project angezeigt werden. Die Striche und Tagesangaben entsprechen dem Puffer, in dem Fall jeweils „Freie Puffer“. Trotzdem Puffer hier explizit erkennbar sind, werden aber auch implizite Puffer eingebaut, d.h. sie werden in den Vorgang hineingerechnet. Wenn die expliziten Puffer nicht sichtbar dargestellt werden, ist der Anteil des freien Puffer in den Vorgängen/Arbeitspaketen ungleich höher. Das ist meistens der Fall. Ich kenne aus meiner 20 jährigen Praxis mit MS-Project max. 5% Fälle, in denen der Puffer explizit visualisiert wurde.


Diese sogenannte „praxisorientierte“ Vorgehensweise sehen Sie im folgenden Beispiel (Bild 2). Die Abstände zwischen den Vorgängen A, B und C könnten Puffer sein, könnten aber auch Abstände, vergleichbar mit einer „Abschleppstange“ zwischen zwei Kfz, sein. Sollte dies der Fall sein, würde jede Verlängerung von A oder B eine Verschiebung von C nach sich ziehen. Das gilt natürlich auch für Vorgang D, da zwischen C und D keine Arbeitstage liegen, sondern nur ein Wochenende. Falls es sich bei A + B in Richtung C um fixe Abstände handelt (Abschleppstange), kann man bei allen Vorgängern implizieren, dass die Puffer in den Vorgängen enthalten sind (wen es sich um CPM handelt). Diese Dauern (Schätzungen) kommen in der Regel auf Nachfrage des Projektleiters an die Ressource zu Stande. Da die Ressource ihre Schätzung einhalten möchte und sie mit Risiken rechnet, baut sie gedanklich einen Puffer ein. So agieren fast alle Ressourcen. Allerdings treten bei den meisten Ressourcen die Risiken nicht ein! Der „Freie Puffer“ wird nicht benötigt. Sie geben aber den „Freien Puffer“, der nicht benötigt wurde, nicht zurück. Warum?
- Sie denken an das nächste Projekt. Der Projektleiter wird sie auf die IST Werte aus dem aktuellen Projekt festnageln.
- Die Ressource hat persönliche Präferenzen in anderen Projekten in denen sie involviert ist.
- Trifft nur auf die Ressourcen der Vorgänge A + B (Bild 2) zu: Aus Sicht der Ressource von Vorgang C, kann sowieso nicht weitergearbeitet werden, weil Vorgang D erst fertiggestellt sein muss. C wird durch 3 Vorgänger gesteuert, die eine Konvergenz bilden. (Vorgänge, die Konvergenzen anstatt Divergenzen unterliegen, sollten einer gesonderten Risikobetrachtung unterliegen. Eventuell könnte der Vorgang D im Bild 2 durch Crashing beschleunigt werden.)
Die einzige plausible Lösung für dieses Problem aus der Sicht von Goldratt, ist in etwa die Halbierung der Vorgangsdauern oder Aufwände a posteriori. Goldratt beruft sich auf die Aussagen von Projektleitern aus der Praxis, dass 50% der Arbeitspakete in der Regel Freie Puffer sind (aus Sicht des Autors etwas übertrieben). Die Hälfte der Dauern oder Aufwände verwendet Goldratt als „Puffer- Pool“, der weiter unten erklärt wird (Die genaue Vorgehensweise von Goldratt wird ebenso weiter unten beschrieben).

Die Ansicht der vier Vorgänge unterhalb der Tabelle ist eine spezielle Ansicht in MS-Project, um Vorgänger oder Nachfolger eines Vorgangs zentral visualisiert zu bekommen. Das wird dann interessant, wenn Vorgänge über längere Strecken miteinander verknüpft sind, beispielsweise für Vorgang 5, der mit den Vorgängern …. 123ea + 7t; 70ea; 85aa+3t verknüpft ist. In dem Fall bekäme man analog zum Bild 2 alle drei Vorgänger zentral angezeigt obwohl sie im Gantt Chart enfernt auseinander liegen.

MS Project für…. bekennt Farbe.
m Bild 3 sehen Sie jetzt ein kleines Projekt, dass drei „Wege“ involviert. Rot, Grün und Hellblau. Für ein reales Projekt ist diese Formatierung nicht notwendig. Es dient hier nur zur Veranschaulichung. Der rote Weg „der kritische Pfad (CPM)“ oder in diesem Fall „kritische Kette“ (CCPM), wird durch MS-Project bei Bedarf sowieso angezeigt.
Bei der Methode CPM würde der Vorgang I nicht auf dem kritischen Pfad liegen.
Bei CPM werden nur sachlich abhängige Vorgänge (Bsp.:Fensterrahmen – Glasscheibe) verknüpft. Bei „Kritischer Kette“ bezieht man zusätzlich die Ressourcen mit ein, die „Engpässe“ darstellen können. Die Fokussierung von „Engpässen“ bildet eine Kernkompetenz bei CCPM. Ressourcen, die z.B. in mehreren Projekten arbeiten oder Ressourcen, die vielen Vorgängen zugeordnet sind, aber auch ein unsicherer Lieferant, bezogen auf ein oder mehrere Arbeitspakete kann ein potenzieller Engpass sein. Die „kritische Kette“ assoziiert damit einen Teil des Risikomanagements.
Grundsätzlich, aus sachlicher Perspektive, könnte der Vorgang I parallel zum Vorgang A abgearbeitet werden. Das Problem ist die Ressource, die in diesem Zeitraum nicht nicht verfügbar ist. Dadurch ergibt sich ein längerer Weg als bei CPM.
Bei allen Vorgängen handelt es sich aus Sicht von CCPM nur um 50% der geschätzten Dauern (auf Basis der Aufwände) der Ressourcen. Für jeden der drei Wege stehen die anderen 50% in Summe als äquivalenter Puffer zur Verfügung.(Bild 4). Im Normalfall dienen die Zubringer-Puffer als Puffer zwischen dem letzten Vorgang eines Weges und einem Vorgang des kritischen Weges.

Im Bild 4 sehen Sie jetzt die äquivalenten Puffer für jede Weg-Dauer (ROT-BLAU-GRÜN). Die Dauer entspricht immer der Summe der Vorgänge des jeweiligen Weges (Dies ist eine brauchbare „Pi mal Daumen“ Methode. Die prozentualen Puffer-Anteile können aufgrund von Lessons Learned über mehrere Projekte angepasst werden. Das ist die Methode Ossowski. Die Methode Goldratts wird weiter unten beschrieben). Allerdings muss mit MS-Project die „reine Lehre“ Goldratts etwas abgewandelt werden. Normalerweise würden die Puffer zwischen dem letzten Vorgang des blauen oder grünen Wegs auf Schnittstellen zwischen der kritischen Kette gesetzt werden (von daher auch der Name „Zubringer – Puffer“ oder „Integrationpunkte“). Das würde nur funktionieren, wenn die „Puffer – Vorgänge“ quasi senkrecht auf eine Schnittstelle der kritischen Kette stoßen würde, und damit keinen Einfluss auf die Länge der kritischen Kette nehmen könnte. Das ist mit MS-Project nicht möglich. Die Puffer sind eigentlich normale Vorgänge, die die kritische Kette verlängern würden, wenn sie mit einem der Vorgänge der kritischen Kette verknüpft werden würden.
Da aber die Verbräuche der Puffer äquivalent zu den Verlängerungen der Vorgänge stattfinden, kann man das auch sehr schön mit dieser Variante unter MS-Project überwachen. Voraussetzung ist, dass die Ressourcen a) die Ist-Dauer/ den Ist-Aufwand und b) die verbleibende Dauer über eine Schnittstelle eingeben (bei einem kleinen Team bis zu 10 oder 12 Teammitglieder könnte man z.B. Excel verwenden). Sollte sich die ursprüngliche Dauer eines bspw. blauen Vorgangs verlängern, muss der blaue Puffer verkürzt werden. Verkürzt sich dagegen ein blauer Vorgang, muss der blaue Puffer um die gleiche Dauer verlängert werden. Diese Vorgehensweise wird in den nächsten Beispielen visualisiert.

Kleiner Exkurs: Durch eine weitere Gliederung und Gruppierung kann jeder Weg in einer gemeinsamen Ansicht für sich angezeigt werden (Bild 5). Sie können 10 verschiedene Gliederungscodes und damit 10 verschiedene Darstellungsformen des Netzplans erzeugen. Vergleichen Sie Bild4 und Bild5 – inhaltlich absolut identisch, nur anders dargestellt. In der Tabelle von Bild 5 sehen Sie links den Gliederungscode.

Mit einem Klick lässt sich die alte Konstellation wieder herstellen (Bild 6). Bei den Puffer-Enden sehen Sie jetzt grüne Punkte. Das sind Stichtage, die deutlicher zu sehen sind, wenn sie über- oder unterschritten werden. Außerdem sehen Sie in der Tabelle links unten kleine Vierecke mit roten Punkten. Das sind „Ende nicht später als“-Einschränkungen. Verlängert sich einer der Wege über sein jetzt aktuelles Ende-Datum (rechts neben den Zeitstrahlen), dann gibt MS-Project eine Warnmeldung aus. Dazu müsste ein „Weg“ seinen gesamten Puffer aufgebraucht haben. In Worten ausgedrückt sieht die Situation so aus:
Der Vorgang E muss spätestens am 07.04 fertiggestellt sein.
Der Vorgang H muss spätestens am 12.04 fertiggestellt sein.
Der Vorgang F muss spätestens am 15.04 fertiggestellt sein.

Der Vorgang 13 wurde jetzt durch die Ressource aktualisiert (Bild 7). 1 Tag wurde als IST-Dauer eingegeben und die Dauer wurde auf 2 Tage erhöht, weil die Ressource nicht fertig wurde (Der Zeitstrahl von Vorgang 13 verlängert sich erst nach Bestätigung des Planungs-Assistenten). Da jetzt der blaue Zubringerpuffer nach hinten geschoben wurde, erzeugt MS-Project die Warnmeldung. Die Warnmeldung erinnerte den Projektleiter oder die Ressource, dass der Puffer entsprechend verkürzt werden muss. Man müsste jetzt also die Option „Fortfahren“ wählen und anschließend den blauen Puffer um einen Tag verkürzen (Lässt sich über ein Makro automatisieren).

Sollte der „Reportende“ oder der Projektleiter die Warnmeldung übersehen, kann man in der Spalte Abweichung Vorgang 13 eine „1Tag“Abweichungsanzeige sehen. Die errechnet sich aus „Dauer – Geplante Dauer“. Da in der Abweichung des blauen Zubringer-Puffers keinerlei Abweichung vorhanden ist, hat eine Aktualisierung des Puffers noch nicht stattgefunden. Im Bild9 hat die Aktualisierung dann stattgefunden.

Auch die Aktualisierung im Zubringer Puffer lässt sich nachvollziehen. Sie wird in der Tabelle angezeigt und kann auch direkt am Zeitstrahl visualisiert werden.

Im Bild Nr. 10 sehen Sie jetzt einen extremen Pufferverbrauch auf der kritischen Kette. Da wo die höchsten Pufferverbräuche zu Stande kommen, liegen die Prioritäten und das Augenmerk des Projektleiters. Das könnten auch andere Wege sein, die mehr Aufmerksamkeit erfordern, falls die Pufferverbräuche überproportional steigen. Im Bild 10 wird er Pufferverbrauch hauptsächlich auf dem grünen Weg erzeugt.

In Bild 11 sehen wir jetzt, dass sich der Vorgang 16 (Grüner Puffer) über seinen Stichtag hinaus verschoben hat. Jetzt visualisiert MS-Project auch eine Warnung links in der Indikatorenspalte, ein rotes Ausrufungszeichen. Der grüne Pfeil für den Stichtag ist jetzt deutlich zu sehen.

Im Bild 12 sehen Sie nur die drei Puffer. In dem Beispiel arbeite ich mit einer übersichtlichen Anzahl von Vorgängen. Wenn Sie aber Projekte mit hunderten von Vorgängen durchführen, wäre es sinnvoll, die Puffer und ihre Verbräuche mit einem Klick zu erreichen. Das Ergebnis sehen Sie in Bild 12. Unter den Puffer-Zeitstrahlen sehen Sie rot formatiert die Pufferverbräuche über alle 3 Wege hinweg.
Wichtig ist, dass Sie berücksichtigen, dass Ihre Projekte weit mehr als 13 Vorgänge enthalten. Von daher ist eine solche Transparenz, eine signifikante Unterstützung für Ihre Projektüberwachung.

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